Traditionelle Handwerkskunst und moderner 3D-Druck vereint in einem Schmuckstück auf den Bayreuther Festpielen
Technik und Kunst müssen sich nicht wie zwei gegengesetzte Pole gegenüberstehen und das eine muss das andere nicht ausschließen. Gerade aus der Verbindung der beiden und der gegenseitigen Einbeziehung entstehen neue Ansätze, kreative Innovationen und zukunftsweisende Perspektiven. Julia Förster-Oetter verbindet traditionelle Handwerkskunst und moderne 3D-Drucktechnologie für die Kreation individueller Schmuckstücke aus Glas, Gold und Silber. Die gelernte Goldschmiedin und Inhaberin eines Ateliers konnte durch ihre kreativen Anfertigungen bereits zahlreiche Preise gewinnen und überzeugte auch die Organisatoren der renommierten Bayreuther Festspiele von ihrem handwerklichen Können. Für die Neuinszenierung von Wagners „Ring des Nibelungen“ im letzten Jahr wurde Förster-Oetter engagiert, um einige Schmuckstücke anzupassen und umzuarbeiten. Darüber hinaus, ist eine ihrer Schmuckkreationen in voller Pracht im „Rheingold“ und „Die Walküre“ zu bestaunen. Drei Millimeter dick, fünf Zentimeter im Durchmesser, ziert ein vergoldetes Silbermedaillon die Brust der Wotan-Figur. Entstanden ist dieses Schmuckstück aus der Kombination von traditionellem Goldschmiede-Handwerk und 3D-Drucktechnologie.
3DN: Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen und erzählen, wie sind Sie zum 3D-Druck gekommen sind?
Mein Name ist Julia Förster-Oetter und ich bin Designhandwerkerin und Goldschmiedin in Bayreuth. Dort habe ich auch mein Atelier, wo ich sehr individuelle Schmuckkreationen anbiete, zum Beispiel meine handgewickelten Glasperlen, Trauringe und Spezialkreationen. Es fasziniert mich, dass ich in meinem Beruf die Möglichkeit habe, ein individuelles Schmuckstück vom Guss bis zur Politur selbst herstellen zu können. Anders als in großen Juweliergeschäften habe ich hingegen nicht die Möglichkeit, viele verschiedene Trauringe auf Vorrat zu haben. Deshalb habe ich mich nach einer Möglichkeit umgesehen, wie ich meinen Kunden ihren persönlichen Wunschtrauring zeigen kann, ohne in „echte“ Ringe aus Gold investieren zu müssen. So bin ich auf den 3D-Druck gestoßen, der das durch Prototypen ermöglicht. Anhand des gedruckten Modells können meine Kunden den Ring probetragen und auch noch die Ringgröße oder etwas im Design ändern, was sie als großen Pluspunkt schätzen.
3DN: Wie setzen Sie den 3D-Druck in Ihrer Werkstatt ein und wie entsteht ein Schmuckstück mit 3D-Druck?
Ich kann über den 3D-Druck Muster, Probeschmuckstücke und Gussformen erstellen. Für die meisten meiner Modelle verwende ich einen SLA-Drucker und ein Standardkunstharz. Bei einfacheren Geometrien habe ich durch dieses Kunststoffmodell dann gleich eine Gussform und ich kann das Schmuckstück bei mir im Haus gießen. In diesem Schritt ist es dann sogar möglich, das Altgold der Kunden zu verwenden. Darüber hinaus verwende ich auch noch ein spezielles Wachs, das sich mit dem gleichen Drucker verarbeiten lässt. Bei komplexeren Geometrien kann ich das Schmuckstück so mit diesem speziellen 3D-Druckverfahren aus Wachs drucken. Dieses Wachs verbrennt dann rückstandslos im Produktionsprozess bei meinem Gießereifachbetrieb, sodass dort eine optimale Gussform erstell werden kann. Im Anschluss kann das Schmuckstück im gewünschten Edelmetall gegossen werden.
Der 3D-Druck hilft vor allem bei der Erstellung eines Modells. Durch die Muster und Probeschmuckstücke ist es für meine Kunden leichter, sich das fertige Schmuckstück vorzustellen. Im ersten Schritt bespreche ich mit meinen Kunden zunächst, wie das fertige Schmuckstück aussehen soll. Dann erstelle ich eine Handskizze und wir legen die Maße wie z.B. die Ringgröße fest. Im nächsten Schritt wird die Zeichnung am PC erstellt. Wenn gewünscht, können die Kunden anhand der Zeichnung nochmals Änderungswünsche einbringen. Erst dann wird das erste Muster gedruckt und wir können zusammen beurteilen, ob das fertige Schmuckstück anhand des gedruckten Modells den Vorstellungen und Wünschen der Kunden entspricht. Manchmal lackiere ich das Kunststoffmodell golden, damit der Eindruck noch realistischer wird. Wenn das Schmuckstück dann gefällt und auch die Größen und Proportionen den Vorstellungen entsprechen, kann ich das Schmuckstück gießen. Nach dem Guss beginnt dann die eigentliche Goldschmiedearbeit. Die Rohlinge müssen gesäubert und poliert werden. Je nach Schmuckstück werden dann noch Edelsteine gefasst oder es wird eine Gravur angebracht.
3DN: Wo liegen die Herausforderungen des 3D-Drucks in der Schmuckfertigung und wo die Potentiale?
Die größte Herausforderung liegt darin, dass mit dem SLA-Drucker teilweise komplexere Strukturen gedruckt werden können, als dann in der Gießerei gegossen werden können. Hier muss ich eng mit meiner Gießerei zusammenarbeiten, damit das Ergebnis dann auch den Erwartungen der Kunden entspricht. Auch muss beim Druck der Modelle ein gewisser Schwund durch das Gießverfahren mit einberechnet werden. Zuviel Aufschlag verteuert das Schmuckstück dann doch gleich sehr. Es muss beachtet werden, dass das 3D-Druckmodell schließlich nicht das Endprodukt ist, sondern ein Zwischenschritt zum fertigen Produkt. Allerdings sehe ich einen großen Mehrwert darin, durch den 3D-Druck meinen Kunden auf relativ günstige Art und Weise einen Eindruck vom fertigen Schmuckstück verschaffen zu können. Viele Menschen können sich mit Hilfe des Modells das fertige Schmuckstück besser vorstellen als mit Hilfe der Handskizze. Die Herstellung eines Gussmodells per Hand ist zeitlich sehr aufwendig und hier kommt das Potential des 3D-Drucks zum Tragen. Kleinere Änderungen lassen sich durch die 3D-Drucktechnologie problemlos umsetzten, denn eine neue Version ist relativ schnell gedruckt.
3DN: Eine Ihrer Kreationen ist nun auf den Bayreuther Festspielen gut in Szene gesetzt. Was verbindet Sie mit den Bayreuther Festspielen und wie konnten Sie dort beruflich bereits mitarbeiten?
Als Handwerkerin in der Wagner-Stadt Bayreuth habe ich mir eine spezielle Wagner-Kollektion aufgebaut. Wagner begleitet mich schon seit meiner Kindheit. Als Kinderstatistin stand ich schon im „Rheingold“ auf der Bühne des Bayreuther Festspielhauses und habe als Zwerg Gold geschmiedet. 2018 habe ich sogar während der Premierensendung des Senders SKY auf dem Grünen Hügel im Studio live gearbeitet und meinen „Meistersinger-Anhänger“ präsentiert. Mit Hilfe des 3D-Druckes habe ich auch eine öffentliche Ausschreibung der Bayreuther Festspiele für mich entscheiden können. Angefragt war die sogenannte „Wotan-Kette“. Herr Besuch, der Kostümbildner des aktuell laufenden Werkes „Der Ring des Nibelungen“, hatte konkrete Wünsche bezüglich eines Medaillons, das Wotan während der Opern an einer Kette tragen soll. Das Medaillon sollte sehr detailreich und gleichzeitig flach sein. In der Mitte sollte ein „W“ zu lesen sein. Mit herkömmlichen Fertigungsverfahren wäre die Umsetzung extrem zeit- und kostenintensiv gewesen. Durch die Konstruktion am Rechner und die Möglichkeit, die Medaillen in Kunststoff per 3D-Druckverfahren ausdrucken zu können, war ich in der Lage, ein aufwendiges aber zugleich auch realistisches Exemplar zu erstellen.
3DN: Wie haben Sie das Projekt des Wotan-Medaillons konkret mit dem 3D-Drucker umgesetzt? Können Sie den Entstehungsprozess kurz umreißen?
Zunächst habe ich in enger Zusammenarbeit mit dem Kostümbildner Skizzen erstellt. Auch die Maße haben wir festgelegt. Anhand der Skizzen und des Bildmaterials habe ich dann damit begonnen, das Medaillon am PC zu konstruieren. Die ersten Zeichnungen wurden dann nochmals überarbeitet. Gleichzeitig zum Medaillon selbst habe ich auch noch am Verschluss der Kette gearbeitet. Die Kette sollte Wotan auf der Bühne vom Hals gerissen werden, so dass hier ein Magnetverschluss konstruiert werden musste. Auf der einen Seite des Verschlusses wurde die Kette eingelötet, auf der anderen Seite wurden die Magnete befestigt. Auch hier hat der 3D-Druck bei der Dimensionierung geholfen, da ich anhand der Muster schon sehr früh im Entstehungsprozess Informationen darüber gewonnen habe, wie ich letztlich die Gussmodelle erstellen muss. Das Design des Medaillons konnten Herr Besuch und ich sehr gut anhand der Zeichnungen diskutieren. Das gedruckte Medaillon habe ich dann goldfarben lackiert. Somit war es möglich, nochmals die Proportionen und die Wirkung des Schmuckstückes auf der Bühne zu überprüfen. Das Kunststoffmodell habe ich im Anschluss dann an meine Gießerei geschickt, die davon eine Dauerform aus Silikon gefertigt hat. Nachdem ich die Gussrohlinge aus Silber erhalten habe, mussten sowohl das Medaillon als auch die Verschlussteile ordentlich gesäubert und poliert werden. Die Kette wurde dann in die Verschlussteile eingelötet. Ein weiterer Spezialbetrieb übernahm dann das Vergolden der Silberteile. Nach dem Vergolden erfolgte dann noch die Endpolitur und schließlich konnte ich das Schmuckstück ausliefern. Nun trägt es Wotan auf der Bühne der Bayreuther Festspiele.
3DN: Haben Sie noch abschließende Worte an unsere Leserschaft?
Bei aller fortschreitenden Technik darf man nicht vergessen, dass mein Beruf ein Handwerk ist. Ohne die Kenntnis der „alten“ Handwerkstechniken wird es nicht möglich sein, ein Schmuckstück von Hand zu fertigen. Auch wenn mein Handwerk schon sehr alt ist, ist es dennoch wichtig, immer wieder über den Tellerrand hinauszuschauen und offen für neue Entwicklungen zu sein. Die Mischung aus traditionellen Techniken und modernen Fertigungsverfahren macht mein Goldschmiedehandwerk, so wie ich es praktiziere, sehr spannend und hoffentlich auch zukunftsfähig. Vielleicht lasse ich mich demnächst dazu hinreißen, mal ein Schmuckstück aus Gold per Lasersintern-Verfahren herzustellen. Die Kosten dafür sind aber doch noch sehr hoch, sodass es für mich derzeit nicht rentabel ist. Aber Versuch macht klug! Mehr zu Julia Oetter-Förster und ihrem Atelier finden Sie HIER.
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*Titelbildnachweise: Julia Förster-Oetter