Wie nachhaltig ist PLA Filament wirklich?
PLA gilt nicht umsonst als eines der beliebtesten und meistgenutzten 3D-Druckmaterialien für FDM 3D–Drucker: Es lässt sich gegenüber anderen Materialien sehr einfach drucken, was es gerade für Laien zum idealen Filament macht. Hinzu kommt, dass PLA im Vergleich zu anderen Materialien oft als nachhaltigeres und sichereres Material gesehen wird. Doch woher stammt diese Annahme? Und wie nachhaltig ist es wirklich? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir nach der Meinung von Experten gefragt.
Florent Port ist der Präsident von Francofil, welche in der Normandie eine Vielzahl an 3D-Druckfilamenten entwickeln und produzieren. Nicolas Roux ist CEO bei Zimple 3D. Er verfügt über jahrelange Erfahrung im 3D-Druck und ist der Gründer von Zimple 3D. Mit seinen Lösunge, darunter beispielsweise Luftfilter, will er die Nutzung von 3D-Druckern vereinfachen. Jan-Peter Willie ist der Mitgründer von 3D4Makers, einem niederländischen Filament Hersteller, was ihn zum Experten in der Kunststoffproduktion macht.
Wir haben unsere Experten gefragt, welche Irrtümer und Missverständnisse es zum PLA-Filament gibt. Florent nennt als erstes eine der am häufigsten missverstandenen Eigenschaften von PLA: „Es ist biologisch abbaubar, was impliziert, dass es keine Rolle spielt, ob Sie es in die Natur werfen.“ Unsere beiden andern Experten stimmen zu und Nicolas fügt als weiteren Irrtum hinzu: „PLA emittiert keine toxischen Emissionen.“
Wir wollen, über die Irrtümer bzw. Missverständnisse über PLA aufklären und gleichzeitig mehr über die Nachhaltigkeit dieses Materials erfahren. Somit werden wir uns hauptsächlich auf seine biologische Abbaubarkeit, seine Emissionen sowie die Herstellung des Materials und weitere Punkte wie Recyclebarkeit eingehen.
Wie wird PLA hergestellt?
PLA (polylactic acid), auch Polymilchsäure genannt, wird aus nachwachsenden und natürlichen Rohstoffen, wie beispielsweise Mais, gewonnen und gehört als synthetisches Polymer zu den Polyestern. Die Stärke (Glucose) wird aus den Pflanzen extrahiert und durch die Zugabe von Enzymen in Dextrose umgewandelt. Diese wird durch Mikroorganismen in Milchsäure fermentiert, welche wiederum zu Polylactid umgewandelt wird. Durch Polymerisation werden langgliedrigen Molekülketten hergestellt, welche in ihren Eigenschaften Polymeren auf Erdölbasis ähneln.
An sich wird reines PLA also aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und basiert nicht, wie beispielsweise ABS, auf fossilen Rohstoffen. Das ist durchaus positiv, wenn man bedenkt, dass unser Erdöl eine endliche Ressource ist. Nun stellt sich allerdings auch die Frage, ob es rein ethisch vertretbar ist, Plastik aus Lebensmitteln herzustellen, wo unsere Weltbevölkerung immer weiter wächst und immer mehr Nahrung benötigt wird.
Ein Kommentar von Jan-Peter zu diesem Thema: „Es wird viel darüber diskutiert, wie viel CO2, fossile Brennstoffe und Wasser bei der Herstellung von Biokunststoffen aus natürlichen Materialien insgesamt verbraucht werden und ob sie sich negativ auf Herstellung von Nahrungsmitteln auswirken. Um 1 kg PLA herzustellen, werden 2,65 kg Mais benötigt. Da jedes Jahr 270 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt werden, würde der Ersatz von konventionellem Kunststoff durch PLA aus Mais, 715,5 Millionen Tonnen aus der weltweiten Nahrungsmittelversorgung entfernen, zu einer Zeit zu der die Erderwärmung die Produktivität der tropischen Landwirtschaft verringert.“ Das bedeutet, dass bei einer Umstellung auf Bioplastik, die Felder für Nahrung, mit denen für Plastik konkurrieren müssten. Da die Diskussion über die Herstellung von Biokunststoffen den Inhalt dieses Artikels sprengen würde, wird dies nicht weiter analysiert. Auch über die beiden Begriffe ‚biologisch abbaubar’ und ‚kompostierbar’ und deren Unterschied wird viel diskutiert, weshalb sie hier kurz erläutert werden.
Was bedeutet „biologisch abbaubar“ und „kompostierbar“?
Jan-Peter: „Viele Menschen verwechseln ‚biologisch abbaubar’ mit ‚kompostierbar’. ‚Biologisch abbaubar’ bedeutet im Allgemeinen, dass ein Objekt biologisch zersetzt werden kann, während ‚kompostierbar’ typischerweise angibt, dass ein solcher Prozess zu Kompost führt.“
Ein ‚biologisch abbaubares’ Material kann unter bestimmten anaeroben oder aeroben Bedingungen zersetzt werden. Allerdings wird fast jedes Material im Laufe der Zeit früher oder später in der Natur zersetzt. Somit müssen die genauen Umweltbedingungen zur biologischen Abbaubarkeit explizit definiert werden.
Kompostierung ist ein menschengemachter Prozess. Laut der Europäischen Norm EN13432 gilt ein Polymer oder eine Verpackung dann als „kompostierbar“, wenn es in einer industriellen Kompostieranlage, unter anderem, innerhalb von 6 Monaten zu mindestens 90 % durch Mikroorganismen in CO2 umgewandelt wird und Zusatzstoffe zu maximal 1% der Ausgangsmasse enthalten sind und unbedenklich sind (ungiftig & keine negativen Effekte auf das Pflanzenwachstum).
„The Sustainable Citizen“ fasst dies ganz gut zusammen: „Jede Kompostierung ist immer biologischer Abbau, aber nicht jeder biologische Abbau ist Kompostierung.“
Kann man PLA wirklich als „biologisch abbaubar“ bezeichnen?
Der in der Bewerbung von PLA Material häufig verwendete Begriff ‚biologisch abbaubar’, suggeriert, dass PLA, genau wie Küchenabfälle, im heimischen Kompost oder in der Natur verrotten kann. Jedoch ist dies nicht der Fall. Man kann PLA als „biologisch abbaubar bezeichnen, „aber unter den besonderen Bedingungen der industriellen Kompostierung sollte man in diesem Fall eher sagen, dass es sich um ein abbaubares Polymer handelt,“ sagte Florent. Jan-Peter meint: „PLA ist kompostierbar, aber nur in einer industriellen Kompostieranlage.“
Florent erklärt: „Damit PLA wirklich abgebaut werden kann, sind industrielle Kompostierungsbedingungen notwendig, d.h. kontrollierte Temperatur und Feuchtigkeit, in Gegenwart von Mikroorganismen.“ Unter diesen industriellen Kompostierbedingungen kann PLA also innerhalb von ein paar Tagen, bis zu wenigen Monaten biologisch abgebaut werden. Die Temperaturen müssen hierbei bei über 55-70ºC liegen. Auch Nicolas bestätigt: „PLA kann nur unter industriellen Kompostierungsbedingungen biologisch abgebaut werden.“
Leider kann der Begriff ‚biologisch abbaubar’, der von Herstellern und Händlern verwendet wird, für den Endverbraucher etwas irreführend sein, wenn er nicht weiter definiert wird. Auch das Bundesumweltamt merkt in seinem Bericht an, dass erhöht Umweltauswirkungen durch Mikrokunststoff auftreten können, wenn aufgrund dieser kommunizierten biologischen Abbaubarkeit mehr Kunststoffe in der Umwelt entsorgt werden.
In der freien Natur dauert es mindestens 80 Jahre bis PLA zersetzt ist, womit es im Meer und an Land neben konventionellem Kunststoff aus Erdöl genauso zur Umweltverschmutzung durch Plastik und vor allem Mikroplastik beiträgt. Deshalb sollte PLA genauso wenig wie anderes Plastik in die Natur geworfen werden, in Heimkompostern oder im Biomüll landen. Das führt uns zu der Frage, was mit dem PLA passiert, sobald wir es wegwerfen.
Kann PLA und anderes Bioplastik in allen Kompostieranlagen abgebaut werden?
Die Antwort lautet: Nein. Ein Ergebnisberichts einer Umfrage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) mit fast 1000 deutschen Kompostieranlagen für bioabfall und Grünschnitt, stellte fest, dass 95% dieser Kompostieranlagen das Bioplastik nicht normgerecht kompostieren können. 80% dieser Kompostieranlagen, die den deutschen Bio- und Grünabfall kompostieren, empfanden Bioplastik als Störstoff. Dies zeigt, dass PLA zwar in der Theorie biologisch abgebaut werden kann, in der Praxis aber die entsprechende Infrastruktur für den biologischen Abbau von PLA und anderen Biokunststoffen fehlt.
Kann PLA recycelt werden?
An sich kann PLA laut allen drei Experten recycelt werden. Jedoch merkt Florent an: „Es gibt derzeit keine offizielle Sammlung von PLA-Abfällen aus dem 3D-Druck. Tatsächlich erschweren die derzeitigen Kunststoffabfallkanäle die Unterscheidung von PLA von anderen Polymeren wie beispielsweise PET (Wasserflaschen), und die Verunreinigung dieser Materialien durch PLA beeinträchtigt das Recycling.“ Technisch ist PLA also recycelbar vorausgesetzt, dass die Sammlung ausschließlich aus PLA besteht, ohne Kontamination durch andere Kunststoffe.
Was Sie über die Emissionen beim Druck von PLA wissen sollten
Viele Menschen denken, dass die Emissionen, die beim Druck von PLA freigesetzt werden, völlig harmlos sind, da PLA einen eher süßlichen Geruch verströmt wenn man es druckt. Im Gegensatz dazu verströmt das Erdöl basierte ABS einen unangenehmen Plastikgreuch. Nicolas Roux, CEO von Zimple 3D ist Experte für Emissionen, von Filamenten und wir fragten ihn, welche Emissionen PLA wirklich beim Druck verströmt. Nicolas: „Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass PLA eine signifikante Menge an Nanopartikeln emittiert, die die alveolarkapilläre Barriere passieren und den gesamten Körper durch das Blut kontaminieren können.“ Unter dieser Barriere bzw. Membran versteht man den Teil der Lunge, über den der Gasaustausch funktioniert, also die Aufnahme von Sauerstoff und die Abgabe von Kohlenstoffdioxid.
„Diese Partikel sind hauptsächlich Lactid, aber es können auch viele andere giftige Partikel freigesetzt werden, da die verwendeten Filamente sehr selten 100% PLA sind und bis zu 40% Additive enthalten. Deshalb findet man Tests, die zeigen, dass PLA Styrol, Chlormethyl und viele andere krebserregende Verbindungen emittiert, die in der chemischen Industrie bekannt sind.“ Auch ein Bericht des Umweltbundesamts bestätigt die Belastung durch Feinstaub, Nanopartikel und VOC (flüchtige organische Verbindungen) beim extrusionsbasierten 3D-Druck von PLA und anderen Kunststoffen wie ABS, wobei die Emissionen von ABS höher sein sollen als für PLA.
Wie gefährlich sind diese Emissionen?
„In Abwesenheit eines konformen Sicherheitsdatenblattes sind die Gefahren von Filament zu Filament sehr unterschiedlich, obwohl sie bei allen vorhanden sind. Die verwendeten Additive und der Herstellungsprozess des Filaments, haben einen wesentlichen Einfluss darauf, wie gefährlich ihre Emissionen sind“, erklärt Nicolas Roux. Es ist also sicher, dass Nanopartikel beim Druck von PLA unkontrolliert in die Luft abweichen, und damit den Körper des Anwenders kontaminieren können.
„Daher ist es notwendig, sich selbst zu schützen, indem man das Risiko begrenzt.“ Um den Emissionen nicht willkürlich ausgesetzt zu sein, empfiehlt Nicolas nie in der Nähe eines 3D-Druckers zu arbeiten, der in Betrieb ist, den Raum in dem gedruckt wird gut zu lüften sowie gegebenenfalls ein Filtersystem zu verwenden.
Gibt es Filamente, die umweltfreundlicher sind als andere? Welche Alternativen gibt es zu PLA?
Florent: „Bio-Filamente sind umweltfreundlicher als solche aus fossilen Ressourcen.“ Jedoch kommt es hier auch sehr auf die zugesetzten Additive an, weshalb manche Hersteller wie Francofil auch PLA Filamente herstellen, deren Additive keine Chemikalien enthalten. Vielen ihrer PLA-Filamente sind Nebenprodukte (Abfälle) wie Muscheln, Weizen und Kaffeesatz zugefügt, welche sie zu 100% biobasiert macht.
Nicolas ist er Meinung, dass es keine wirkliche nachhaltige Alternative für PLA Filament gibt: „Leider kenne ich keine wirklich grünen und sicheren Filamente, die keine Partikel emittieren oder die in der Lage sind, sich selbst in der Erde oder in einem Ozean biologisch abzubauen. Die Bevorzugung von Filamenten mit konformen Sicherheitsblättern europäischer Hersteller ist meiner Meinung nach eine verantwortungsvolle Haltung bei der Materialwahl.“ Auch Jan-Peter empfiehlt europäische Filamente: „Bei bei PLA, das aus Asien kommt, gibt es viele Lieferanten, die nicht angeben, was in ihrem Filament ist.“ Er fährt fort: „Es gibt viele Kunststoffe, die aus natürlichen Rohstoffen hergestellt werden, aber sehr selten sieht man diese als Filament. Wahrscheinlich ist es schwierig, einen Filament daraus zu machen oder sie sind schlecht zu Drucken.“
Jedoch gibt es Unternehmen, wie das kanadische Startup Genecis, die an der Entwicklung von Polymeren arbeiten, die in natürlichen Umgebungen nach ca. 12 Monaten abgebaut sein sollen. und aus Lebensmittelabfällen bestehen. Außerdem gibt es inzwischen einige Hersteller, wie z.B. Nefilatek, die recycelte Filamente anbieten. Das ist zwar noch immer Plastik, aber auf jeden Fall nachhaltiger als neues Material.
Fazit
PLA besteht aus nachwachsenden Rohstoffen und ist in industriellen Kompostieranlagen biologisch abbaubar. Jedoch ist es aufgrund fehlender Infrastruktur schwierig, PLA wirklich industriell zu kompostieren oder auch zu recyceln. Auch PLA emittiert, entgegen der gängigen Meinung, gesundheitsschädliche Stoffe, allerdings weniger als beispielsweise ABS. Das eigentliche Problem mit PLA Filamenten ist also, dass ihre Eigenschaften teilweise falsch kommuniziert und nicht klar definiert werden; in manchen Fällen kann sogar etwas Greenwashing hinzukommen.
Insgesamt lässt sich sagen, dass PLA durch seine Herstellung aus nachwachsenden Rohstoffen und der theoretischen Möglichkeit zum biologischen Abbau etwas nachhaltiger ist als Plastik aus fossilen Brennstoffen. Aber es ist und bleibt Plastik, welches die Natur und die Meere verschmutzt. Somit bleibt als einzig wirklich grüne und realistische Alternative nur, so wenig Plastik wie möglich zu verwenden, sei es nun ‚biologisch abbaubar’ oder nicht. Heißt auch im 3D-Druck sollte man wirklich nur das drucken, was man braucht, wenn man eine Möglichkeit sucht, nachhaltiger zu sein. Außerdem sollte man sein Bestes geben, das Plastik, das man dennoch verwendet, anständig zu recyceln.
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„Damit PLA wirklich abgebaut werden kann, sind industrielle Kompostierungsbedingungen notwendig, d.h. kontrollierte Temperatur und Feuchtigkeit, in Gegenwart von Mikroorganismen.“
Welches wäre das? Das sagenumwobene ‚Bakterium Ideonella sakaisensis 201-F6‘?
Wo könnte man diese Microorganismen kaufen?