ceraLAB digitalisiert Handwerk und verleiht Keramik mit 3D-Druck ein neues Gesicht
Steinalt und hochmodern: Keramik kommt nicht aus der Mode und steht für zeitlose Ästhetik in einer modernen, von neuen Technologien geprägten Welt. Um das Potential dieses Materials auszuschöpfen und in eine neue Ära zu überführen, experimentieren die Architekten Jan Contala und Philipp Schwaderer seit Studienzeiten mit Keramik und haben das Material in seinen verschiedenen Facetten verarbeitet. In ihrem Unternehmen ceraLAB verfolgen sie das Ziel, dieses traditionelle Produkt mit modernen Technologien zu verbinden und so Handwerk zu digitalisieren. Durch den 3D-Druck geben Contala und Schwaderer komplexen, digitalen Designs eine analoge Form in Keramik. So fertigen sie nicht nur Lampenschirme und Tischleuchten aus Keramik, deren Design für kreative Lichtspiele und eine interessante Atmosphäre sorgen, sondern auch 3D-gedruckte Espresso-Tassen für Kaffeegenuss mit individuellen, kreativen Noten.
Das Architekten-Duo gibt auch Kurse an der Universität Innsbruck und konnte bereits spannende Projekte mit Studentengruppen umsetzen, bei denen experimentelle und nachhaltige Architektur in Zusammenhang mit dem Material Keramik im Fokus stehen. Im Interview erzählt ceraLAB Co-Gründer Jan Contala, was die Faszination für dieses Material bei ihm entfachte, worin die Potentiale von Keramik im 3D-Druck liegen und was dabei rauskommen kann, wenn altes Material auf moderne Welt trifft.
3DN: Könnten Sie sich kurz vorstellen und erzählen, wie Sie zum 3D-Druck gekommen sind?
Hallo, ich heiße Jan Contala und zusammen mit Philipp Schwaderer habe ich ceraLAB gegründet, das aktuell von mir geführt wird. Wir haben beide an der Universität Innsbruck Architektur studiert, zuerst dort den Bachelor gemacht und dann auch den Master. Dort hatten wir die Chance, im REX/LAB (robotic experimentation lab) unter der Leitung von Prof. Marjan Colletti als studentische Mitarbeiter erste Erfahrungen im Bereich des Roboter-gestützten 3D-Drucks zu sammeln. Parallel zu unserer Tätigkeit an der Uni haben wir uns zur Vereinfachung des Modellbaus im Studium zuerst einen, dann mehrere 3D-Drucker gekauft, um mit Kunststoff-Filament zu drucken und zu experimentieren.
3DN: Wie kam es zur Gründung von cera.LAB, das sich als digitales Handwerkskollektiv versteht, und wie verknüpfen Sie Handwerk und die digitale Welt?
Mit Beginn 2020, unserem Abschluss der Masterarbeit und der Teilzeit-Schließung des Labors aufgrund der COVID-Pandemie, haben wir die “Not zur Tugend” gemacht und begonnen, unsere eigene Werkstatt zu errichten. Uns war es wichtig, das physische Experimentieren mit verschiedenen Materialien und Formen beizubehalten, brauchten dazu aber den benötigten Raum. In der Firma eines Freundes etwas außerhalb von Innsbruck konnten wir unterkommen und dort war dann unsere erste Werkstatt angesiedelt. Kurz darauf übersiedelte die Firma nach Innsbruck in eine neue Lokalität, wo wir auch heute noch sind.
Digital und Handwerk gehen bei ceraLAB Hand in Hand. Mit der Verwendung von digitalen Gestaltungs- und Fabrikationswerkzeugen eröffnet sich die Möglichkeit, neuartige Formen herzustellen. Diese neuen Formen beinhalten die Design-Komplexität der digitalen Welt in Kombination mit einem klaren Produktionsablauf, der allerdings individuell gestaltet und angepasst werden kann. Das bekannte Risiko des Handwerks kann so digital entschärft werden und dadurch eröffnet sich eine ganz neue Formenvielfalt.
3DN: Wie haben Sie Keramik für sich als Druckmaterial entdeckt und was gibt es beim 3D-Keramik-Druck besonders zu beachten? Mit welcher Technologie und welchem Drucker arbeiten Sie?
Durch unseren Job im Labor haben wir Einblicke in den 3D-Druck mit Kunststoff, Beton und Keramik bekommen. Keramik ist einer der ältesten Baustoffe in der Architektur und uns war schnell bewusst, welch großes Potential Keramik bereithält. Im Vergleich zu den anderen genannten Beispielen handelt es sich bei Keramik um ein natürliches Material. Das macht die Verarbeitung komplizierter, da das Material nicht synthetisch homogenisiert werden kann. Die Materialkonsistenz spielt bei Keramik allerdings eine sehr wichtige Rolle, wie etwa auch das Zentrum der Gravitation der gedruckten Objekte. Bei leichten Abweichungen können Objekte während des Druckvorgangs durch Eigengewicht absinken, bzw. im folgenden Produktionsabschnitt, dem Trocknen, ihre Formgenauigkeit durch Verzug verlieren.
Bezüglich der Technologie arbeiten wir mit einem Paste-Extrusion-System. Die aktuell verwendete Maschine (cnc+Delta) im ceraLAB wurde selbst gebaut, wie auch die Extruder. Somit können wir auf allen Ebenen die Technologie pushen. Parallel arbeiten wir auf der Universität mit 6-Achs Roboter-Systemen wie UR/ ABB/ und KUKA.
3DN: An welchen Projekten arbeiten Sie gerade und welche Ziele verfolgen Sie mit Ihren Projekten?
Gerade arbeiten wir an mehreren Projekten in verschiedenen Bereichen. Diese reichen von einer Kooperation mit Hauben-Köchen für ein besonders exquisites Speise-Erlebnis bis hin zur Skalierung von Fertigbauteilen für architektonische Projekte. Bei Letzterem steht die Verknüpfung von Architektur und Natur stark im Vordergrund, wie wir sie auch schon bei vorangegangenen Projekten, wie biomic wall oder Keratop gezeigt haben.
Das Ziel der Projekte liegt stets darin, das unerforschte Potential aus der Keramik herauszuholen. Die Verarbeitung des Rohstoffs hat sich während der letzten tausend Jahre hinweg wenig verändert und somit ist auch die altbekannte Ästhetik beständig geblieben. Bei unseren Projekten wollen wir der Keramik ein neues Gesicht geben, was unserer Meinung nach vor allem durch die Verarbeitungs-Technologie erzielt wird. Bei uns ist das der 3D-Druck von Keramik. Unser „befremdlicher“ Zugang in unseren Projekten führt oft dazu, dass unsere Produkte als „alienhaft“, „anders“ aufgefasst werden. Diese Keramik-Alien-Assoziation freut uns aber, denn sie zeigt, dass wir durch unsere Arbeit eine noch nie dagewesene Keramik-Ästhetik erzeugt haben. Keramik steht dabei keineswegs anderen Materialien wie Kunststoffen und Metallen nach, bietet jedoch eine nachhaltige und hochqualitative Alternative zu diesen Materialien.
3DN: Worin liegen Ihrer Meinung nach die Potentiale des 3D-Drucks für Architektur und Design?
Generelle Potentiale des 3D-Drucks in der Architektur sehe ich in der Vereinfachung der Wandaufbauten. Ebenso bietet die additive Fertigung den Vorteil, die Bauteile dezentral mit kurzen Lieferketten zu fertigen und ebnet so den Weg für eine nachhaltigere Architektur, mit Berücksichtigung der SDG’s (sustainable development goals, UN-Nachhaltigkeitsziele) 1, 8, 9, 11, 12 und 13.
Parallel dazu schafft 3D-Druck in der Architektur eine neue Gestaltungsfreiheit, welche der Komplexität des Digitalen gerecht werden kann. Neue Formen, neue Ästhetik und Gestaltung könnten in Zukunft die derzeit herrschende Dominanz der viel zu schlichten und reduzierten Moderne ablösen.
3DN: Haben Sie noch ein abschließendes Wort an unsere Leserschaft?
Ich freue mich auf die Zukunft, deren Formenvielfalt und Komplexität, in der wir das komplette Potential des 3D-Drucks und der digitalen Gestaltung ausnutzen können. Derzeit stehen wir erst am Anfang. Mehr zu ceraLab finden Sie HIER.
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*Titelbildnachweis: Stefan Rasberger