Wir begegnem dem 3D-Druck immer häufiger im medizinischen Bereich bei der Herstellung von Organen. So haben wir bereits über einige faszinierende Projekte in der Entwicklung und Erforschung von Gehirnen mit Hilfe des 3D-Drucks berichtet, wie etwa von Forschern der Universität von Wisconsin-Madison, die das erste funktionsfähige menschliche Hirngewebe aus dem 3D-Drucker hergestellt haben. Oder aber von Forschern der Uni Berlin, welche bereits vor einigen Jahren ein funktionsfähiges Mäusegehirn 3D-gedruckt haben. Auch zur Nachbildung der Blutgefäße im Gehirn wurde an der Universität in Florida bereits die additive Fertigung angewendet. Nun überrascht ein neuer Anwendungsfall des 3D-Drucks. Wiener Forscher haben das nach eigenen Angaben weltweit erste hochauflösende 3D-gedruckte Gehirn-Phantom entwickelt, welches großes Potential birgt, insbesondere für die weitere Erforschung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und multiple Sklerose aber auch für die Planung von Operationen.
Der Durchbruch gelang im Rahmen einer Zusammenarbeit der Medizinischen Universität Wien mit der TU Wien. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in einer Studie in der Fachzeitschrift „Advanced Materials Technologies“. Das Modell des Gehirns aus dem 3D-Drucker, das die Wissenschaftler auch „Gehirn-Phantom“ nennen, ähnelt einem echten Gehirn optisch wohl kaum, da es die Form eines Würfels besitzt und deutlich kleiner ist. Im Inneren birgt das Modell jedoch winzige mit Wasser befüllte Mikrokanäle, die Hirnnerven imitiieren und nur ein Fünftel der Größe eines menschlichen Haars haben. Das Modell dient dem Zweck, den Aufbau von Gehirnnervenfasern nachzuahmen und mit der diffusionsgewichteten Magnetresonanztomografie (dMRT), einer speziellen Form der MRT, darzustellen. Die MRT findet insbesondere bei der Untersuchung des Aufbaus und der Funktion des Gehirns Anwendung, wobei mit Hilfe der dMRT sogar die Richtung der Nervenfasern im Gehirn identifizierbar ist. Das 3D-gedruckte Gehirn-Phantom soll nun dabei helfen, das dMRT-Verfahren zu optimieren und Analyse- sowie Auswertungsmethoden auszuprobieren. An einigen Stellen im Gehirn ist die Richtung der Nervenfasern nämlich bislang sehr schwer festzustellen, da sich an Kreuzungspunkten von Nervenfaserbündeln Nervenfasern mit verschiedenen Richtungen überlagern.
Gehirn-Phantom mittels 3D-Druck
Der 3D-Druck birgt für die Herstellung des Gehrinmodells viele Vorteile, denn mit ihm lassen sich auf flexible Weise komplexe und vielfältige Designs erzeugen, die immer wieder neue Designiterationen zur Anpassung und Veränderung durchlaufen können. 3D-gedruckte Gehirn-Phantome sind demnach ebenfalls in der Lage, die komplexen sich überlappenden Nervenfasern im Gehirn darzustellen. Das Modell wird ebenso wie ein echtes Gehirn von der dMRT untersucht und die Daten analysiert. Das Modell bietet hierbei den Vorteil, dass die gedruckte Struktur bekannt ist und Ergebnisse der dMRT-Analyse dadurch nachgeprüft werden können, wie die Studie zeigte. Dank 3D-gedruckter Gehirn-Phantome mit ihrer realistischen Imitation der Struktur der Nervenfasern kann folglich die Analysesoftware der dMRT verbessert werden.
Für den 3D-Druck der Strukturen der Nervenfasern nutzten die Forscher die Zwei-Photonen-Polymerisation (2PP), welche für gewöhnlich für die additive Fertigung von Mikrostrukturen im Nano- und Mikrometerbereich verwendet wird. Die Forscher skalierten das 2PP-Verfahren also hoch, um für die dMRT geeignete Gehirn-Phantome mit hochaufgelösten Details zu erhalten. Einer der Erstautoren der Studie vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik an der MedUni Wien, Michael Woletz, äußerte sich mit den folgenden Worten zur der Entwicklung des Gehirn-Phantoms: „[…] Mittels des neu entwickelten Gehirn-Phantoms können wir die Analysesoftware viel genauer justieren, damit die Qualität der gemessenen Daten verbessern und die Nervenarchitektur des Gehirns genauer rekonstruieren.“ Für die Forscher gilt es jedoch noch Hürden bezüglich der Skalierung der Methode zu überwinden, so die zweite Erstautorin der Studie der Forschungsgruppe 3D Printing and Biofabrication der TU Wien, Franziska Chalupa-Gantner:
Die hohe Auslösung der zwei-Photon-Polymerisation ermöglicht den Druck von Details im Mikro- und Nanometerbereich und eignet sich daher sehr gut um Hirnnerven abzubilden. Gleichzeitig dauert es mit dieser Technik aber entsprechend lange, einen mehrere Kubikzentimeter großen Würfel zu drucken. Daher zielen wir nicht nur darauf ab, noch komplexere Designs zu entwickeln.“
Für weitere Informationen gelangen Sie HIER zur Publikation der Wissenschaftler und HIER zur Meldung der Medizinischen Universität Wien.
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*Titelbildnachweis: MT Portal