#3DStartup: BIO INX über die Entwicklung innovativer Biotinten für 3D-Bioprinting
Wann werden wir einsatzfähige Organe drucken können? Das ist die Frage, die man sich im Zusammenhang mit 3D-Biodruck wohl am häufigsten stellt. Regelmäßig berichten wir über bahnbrechende Fortschritte in dieser Richtung. So gibt es spannende Projekte zum Druck von neuronalen Netzwerken, bioaktiven Knochenstrukturen, wundheilenden Biotinten und vielen mehr. Bioprinting ist ein großes Anliegen der Wissenschaft und auch ein wirtschaftliches Thema. Laut einem Bericht von Markets and Markets wird der 3D Bioprinting Markt bis 2027 auf 3,3, Milliarden USD ansteigen und somit rund 2 Milliarden im Vergleich zu 2022 zunehmen. Das unterstreicht die zahlreichen Forschungen zu neuen Verfahren und Biotinten, um weiterhin gewinnbringende Entdeckungen zu machen und revolutionäre Entwicklungen voranzutreiben.
Um Organe, Muskeln und Gewebe zu drucken, braucht es allerdings das nötige Zellmaterial: die Biotinten, die in den additiven Fertigungsverfahren verarbeitet werden können. Ein Unternehmen, das sich auf die Herstellung solcher Biotinten spezialisiert hat, ist das belgische Startup BIO INX. Das Startup beschäftigt sich mit der Entwicklung von innovativen und hochleistungsfähigen Tinten, um die Biofabrikation und deren Anwendungen zu forcieren. Im Interview mit CEO Jasper Van Hoorick erfahren Sie, wie es zur Unternehmensgründung kam und an welchen spannenden Projekten BIO INX arbeitet.
3DN: Könnten Sie sich kurz vorstellen und erzählen, wie Sie zum 3D-Druck gekommen sind?
Ich bin Jasper Van Hoorick, CEO und Mitbegründer von BIO INX. Ich habe während meiner Promotion an der Universität Gent und der Vrije Universiteit Brussel mit dem 3D-(Bio-)Druck begonnen. Während meines Masterstudiums und der anschließenden Promotion in Chemie und Ingenieurwesen arbeitete ich an der Entwicklung neuer biokompatibler Materialien (z. B. Gelatine und Polyester) für 3D-Biodrucktechnologien, genauer gesagt für die Zwei-Photonen-Polymerisation, eine hochauflösende laserbasierte 3D-Drucktechnologie. Während meines Masterstudiums war ich von dem Gebiet des 3D-Biodrucks so fasziniert, dass ich beschloss, in diesem Bereich auch zu promovieren.
3DN: Wie kam es zur Gründung von BIO INX und woran arbeitet das Unternehmen derzeit?
Während unserer Promotionen (d. h. von mir und unserem CSO Aysu Arslan) haben wir neue Materialien für das 3D-Bioprinting entwickelt, die wir auch patentieren lassen konnten. BIO INX ist aus dieser Arbeit und den patentierten Technologien/Materialien entstanden. Als Materialchemiker haben wir viel mit Forschungsgruppen zusammengearbeitet, die sich auf die Anwendung dieser Materialien in der regenerativen Medizin konzentrieren. Eine dieser Kooperationen war die mit der Forschungsgruppe von Aleks Ovsianikov in Wien, in der Agnes Dobos (Anwendungsspezialistin bei BIO INX) ihre Doktorarbeit schrieb. Dies hat uns zu der Frage gebracht, was mit der Forschung dieser Partner geschieht, wenn die Materialien nicht mehr verfügbar sind. Und wenn vielversprechende Forschungen mit Materialien durchgeführt werden, die in einem akademischen Forschungsumfeld hergestellt wurden, muss man aufgrund von Problemen mit der Reproduzierbarkeit wieder bei Null anfangen, wenn man sie den Patienten näher bringen will.
Wir hatten das Gefühl, dass die Forschungsarbeiten unserer Doktoranden viel Potential hatten und wollten nicht, dass sie in der akademischen Welt versanden oder es nicht weiter als bis zu einem „großen Potential“ in Forschungspapieren bringen. Um die Forschung über den akademischen Bereich hinaus und näher an die Kliniken heranzuführen, braucht es jemanden, der diese Forschung aktiv vorantreibt. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, eine Finanzierung zu beantragen, um die Gründung eines Spin-offs und die Kommerzialisierung unserer Technologie zu prüfen.
Daher beantragten wir einige Zuschüsse, um die Gründung von Spin-offs zu prüfen. Dabei wurden wir stark von An Van Den Bulcke unterstützt, einem Unternehmensentwickler bei UGent, der auch Gel-Ma, eines der beliebtesten Materialien in der Welt des 3D-Biodrucks, entwickelt hat. Das fühlt sich irgendwie an, als ob sich der Kreis schließt, da Gel-Ma die Grundlage für viele Forschungen im Bereich der Biofabrikation in den letzten 20 Jahren bildet. Daher ist es sehr passend, dass An uns bei der Gründung von BIO INX unterstützt hat, wo wir auch Materialien auf Gelatinebasis anbieten. Nach zwei Jahren universitärer Inkubation haben wir BIO INX im April 2022 gegründet. Mit diesem Startup wollen wir zuverlässige und standardisierte Biotinten anbieten, die das Drucken von Zellen mit noch nie dagewesener Auflösung ermöglichen.
3DN: Wieso kann ein und dieselbe Tinte nicht für alle Technologien verwendet werden? Könnten Sie die die Anforderung der verschiedenen Technologien an die Biotinten erläutern?
Jede Technologie setzt unterschiedliche Eigenschaften für den Druck voraus. Der Extrusionsdruck erfordert einen sehr kontrollierten Materialfluss und insbesondere eine gute Formfixierung nach dem Druck. Die entscheidenden Eigenschaften für eine leistungsstarke Biotinte hängen mit der Viskosität und dem Fließen des Materials zusammen. Mit anderen Worten: den rheologischen Eigenschaften. Für den lichtbasierten Druck sind die lichthärtenden Eigenschaften von überragender Bedeutung. Hier werden schnelle Reaktionen zur Aushärtung bevorzugt. Diese Aushärtungsreaktionen (d. h. die Fotovernetzungen) müssen jedoch biokompatibel sein und dürfen die Zellen während der Vernetzung nicht schädigen. Für den 2PP-Druck sind sehr spezifische Zwei-Photonen-Photoinitiatorsysteme erforderlich, die bei der verwendeten Wellenlänge (meist nahes Infrarot oder 780 nm) sehr aktiv sind, was sehr schwierig sein kann. Für den DLP-Druck (digitale Lichtprojektion) ist es wichtig, dass die Eindringtiefe des Lichts in das Material begrenzt ist, um die Photohärtungsreaktion zu begrenzen. Dies erfordert wiederum andere photoaktive Systeme als für den 2PP-Druck.
In dieser Hinsicht können Biotinten für diese drei Technologien auf ähnlichen Polymermaterialien beruhen, aber dennoch völlig unterschiedliche Zusammensetzungen haben, um den spezifischen Anforderungen der Drucktechnik gerecht zu werden. Darüber hinaus müssen die Biotinten nicht nur diese technischen Anforderungen erfüllen, sondern auch ein biokompatibles Verhalten gegenüber verschiedenen Zelltypen aufweisen. Dieses schwierige Gleichgewicht macht die Entwicklung von Biotinten sehr interessant.
3DN: An welchen Projekten arbeitet BIO INX gerade?
Wir sind derzeit an zwei großen Projekten beteiligt. Das eine ist HU3DINKS, bei dem wir an der Herstellung von Biotinten auf Basis menschlicher Plazenta als Alternative zu tierischen Materialien wie Gelatine arbeiten. Dies ist ein internationales Projekt mit verschiedenen Projektpartnern aus Österreich, darunter THT Biomaterials, Morphomed, Upnano und das Ludwig Boltzam Institut für Traumatologie. Das Projekt wird sowohl von der VLAIO (Flandern) als auch von der FFG (Österreich) finanziell unterstützt. Mit diesem Projekt wollen wir nicht nur Tinten herstellen, die das natürliche Gewebe besser imitieren, sondern dies auch auf tierversuchsfreie Weise tun und damit das 3R-Prinzip (refine, reduce and replace) tiergestützter Studien unterstützen.
Ein weiteres großes Projekt, an dem wir arbeiten, ist Astrocardia, bei dem wir Herzgewebe in einem mikrofluidischen Chip mittels 2PP-Druck in 3D drucken. Anschließend wird dieser Chip in den Weltraum geschickt, um die Auswirkungen der Alterung auf die Herzzellen zu untersuchen, denn aus der Literatur ist bekannt, dass die Alterung im Weltraum im Vergleich zur Erde um den Faktor 20 zunimmt. Indem wir 3D-gedruckte vaskularisierte Herzchip-Modelle in den Weltraum schicken, können wir die Auswirkungen der Alterung auf die Herzzellen untersuchen, da die Alterung einer der Gründe für das Auftreten von Herzproblemen ist. Dieser Alterungseffekt ist etwas, das nur schwer in den Griff zu bekommen ist. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit mehrerer flämischer Unternehmen, darunter SCK CEN, Space Application Services, Antleron und QBD und wird von VLAIO, Medvia und Flanders Space unterstützt. Der Start der in sich geschlossenen Chipsysteme ist für 2025 geplant.
Neben diesen Projekten sind wir auch an einigen kundenspezifischen Forschungsprojekten beteiligt und wir entwickeln unsere Curasol-Technologie. Die Curasol-Technologie ist eine unserer patentierten Technologien, die die Aushärtung einiger unserer Materialien in festem Zustand mit hoher Effizienz ermöglicht, ohne dass ein Lösungsmittel benötigt wird. Dies ermöglicht den Extrusionsdruck von thermoplastischen Materialien und die anschließende Fotohärtung, wodurch sie zu Duroplasten mit einzigartigen Eigenschaften wie beispielloser Elastizität und Formgedächtnis werden.
3DN: Sie hatten bereits die Zwei-Photonen-Polymerisation und ihre Anwendung beim Bioprinting erwähnt. Wo liegen die Möglichkeiten und Grenzen der 2PP-Technologie?
Der Hauptvorteil der 2PP-Drucktechnologie besteht darin, dass sie die einzige Technologie ist, die das Drucken in subzellulären Dimensionen ermöglicht, wodurch die komplexe Architektur von lebendem Gewebe nachgebildet werden kann, die für die Gewebefunktion von entscheidender Bedeutung ist. Darüber hinaus ist es die einzige Technologie, die es ermöglicht, Strukturen innerhalb von mikrofluidischen Chips zu drucken, um Organe auf Chips für das Screening von Medikamenten und Kosmetika herzustellen. Die Technologie hat in den letzten zehn Jahren große Sprünge in Bezug auf die Druckgeschwindigkeit und die maximal erreichbare Objektgröße gemacht. Trotz der hohen Schreibgeschwindigkeiten (z. B. Meter/Sekunde) nimmt das Drucken großer Strukturen aufgrund der extrem hohen Auflösung der Technologie in Verbindung mit dem Abtastprinzip des Lasers immer noch viel Zeit in Anspruch.
3DN: Wo sehen Sie den 3D-Biodruck in den nächsten 5 bis 10 Jahren? Was sind die nächsten Schritte, um Bioprinting auf das nächste Level zu heben?
Wir glauben, dass die Technologie kurz vor dem Übergang von der Forschung zur Anwendung steht. Der größte Engpass ist meiner Meinung nach jedoch der unklare Regelungsweg, insbesondere wenn beim Druck auch lebende Zellen beteiligt sind. Entscheidend ist jedoch, dass die Qualität und Reproduzierbarkeit aller Aspekte wie Materialien, Druckverfahren, Zellkultur usw. gewährleistet ist. Standardisierung und Reproduzierbarkeit sind der Weg zur klinischen Anwendung. Allerdings glauben wir, dass die ersten Gewebe keine voll funktionsfähigen menschlichen Organe sein werden, sondern „einfache“, unkomplizierte Gewebe wie Knorpel, Knochen oder Hornhaut (d. h. avaskuläres Gewebe) sein werden. Insbesondere Gewebe, die kein Gefäßsystem benötigen.
Um dieses Ziel zu erreichen, ist jedoch die Standardisierung aller Schritte auf dem Weg dorthin entscheidend, einschließlich standardisierter Biotinten. Und genau das ist die Motivation, die uns zur Gründung von BIO INX veranlasst hat. Die Biofabrikation ist ein sehr spannendes Arbeitsgebiet. Auf dem Markt geschehen derzeit viele spannende Dinge und die Wissenschaft macht rasche Fortschritte. Deshalb freuen wir uns sehr, unseren kleinen Beitrag zum Traum von 3D-gedruckten Geweben und Organen leisten zu können. HIER können Sie mehr über BIO INX erfahren.
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*Bildnachweise: BIO INX