Vapor Smoothing vs. Vibrationsgleitschleifen: Welches Verfahren zur Oberflächenveredelung sollten Sie wählen?
Um eine polierte und veredelte Oberfläche bei 3D-gedruckten Teilen zu erzielen, werden eine breite Palette industrieller Nachbearbeitungstechniken eingesetzt, darunter die Beschichtung, das Sandstrahlen und manuelle Nachbearbeitungsmethoden. Obwohl die additive Fertigung die Herstellung filigraner und komplexer Teile ermöglicht, weisen frische Drucke, direkt aus dem 3D-Drucker, oft raue Oberflächen und sichtbare Schichtlinien auf, insbesondere bei Teilen, die mit der Fused Deposition Modeling (FDM) Technologie hergestellt wurden. Aus diesem Grund wird in einem der letzten Schritte, der Nachbearbeitung, die raue und unfertige Oberfläche durch Hinzufügen oder Entfernen von Schichten des Werkstücks überarbeitet. In diesem Artikel stellen wir Ihnen zwei bekannte Verfahren der Oberflächenbearbeitung vor: Das Vapor Smoothing und das Vibrationsgleitschleifen. Sie erfahren alles über den Ablauf der Verfahren, die Vor- und Nachteile und welches Verfahren für Ihren individuellen Zweck am besten geeignet ist.
Prozess
Vapor Smoothing
Vapor Smoothing (auch Dampfglätten oder Chemisches Glätten genannt) ist eine Technik, bei der die gedruckten Teile verdampften Lösungsmitteln ausgesetzt werden. Beim industriellen Vapor Smoothing-Verfahren werden einzelne oder mehrere Teile sorgfältig in einer geschlossenen Kammer aufgehängt. Ein chemisches Lösungsmittelgemisch, FA 326, wird anschließend in die Kammer eingespritzt und versprüht, wo es kondensiert und auf dem Teil aushärtet. Auf diese Weise werden Oberflächenunregelmäßigkeiten durch eine kontrollierte Verschmelzung entfernt. Bei steigender Temperatur in der Kammer verdampft das restliche Lösungsmittel und wird so zurückgewonnen. Daraus resultiert ein wasserdichtes Teil, das seine glatten inneren Hohlräume, seine genauen Dimensionen und sein ursprüngliches Materialvolumen beibehält. Um optimale Ergebnisse beim Vapor Smoothing zu erzielen, wird empfohlen, den Prozess in einer kontrollierten Umgebung und mit speziell für das Vapor Smoothing entwickelter Ausstattung durchzuführen. Für diejenigen, die an einem Selbstversuch interessiert sind, kann Vapor Smoothing, oder in diesem Fall Solvent Dipping genannt, mit Aceton oder Ethanol als chemisches Lösungsmittel durchgeführt werden. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten und es muss sichergestellt werden, dass die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden und die richtige Ausstattung vorhanden ist.
Vibrationsgleitschleifen
Beim Vibrationsgleitschleifen hingegen werden keine Chemikalien zur Oberflächenbehandlung eingesetzt. Stattdessen wird die Oberfläche der 3D-gedruckten Teile mit einem abrasiven Medium veredelt. Bei diesem Verfahren werden mehrere 3D-gedruckte Teile in eine vibrierende Wanne gelegt, die mit einem ausgewählten Schleifmittel und einer Schmierflüssigkeit, dem sogenannten Compound, gefüllt ist. Wird die Maschine eingeschaltet, beginnt die Wanne zu vibrieren, wodurch mechanische Reibung zwischen dem Teil und dem Schleifmittel entsteht. Dieser subtraktive Prozess führt zu einem minimalen und schonenden Abtrag der äußersten Materialschicht und verbessert so die Oberflächenqualität des Werkstücks. Das Gleitschleifen erfordert spezielle Maßnahmen und Ausrüstungen und wird in zwei Verfahren angeboten: dem Vibrationsverfahren und dem Taumelverfahren. Die Vibrationsmethode eignet sich besonders für größere, weniger detaillierte Objekte und führt wesentlich schneller zum gewünschten Ergebnis. Bei der Taumelmethode hingegen sind die Bewegungen deutlich langsamer und sanfter, so dass sie sich für detaillierte und empfindliche Teile eignet.
Die Auswahl der Schleifmittel (oder auch Chips genannt) ist beim Gleitschleifen entscheidend. Schleifchips können unter anderem aus Keramik, Kunststoff oder Stahl hergestellt werden, wobei jedes Material für ein unterschiedliches Ergebnis sorgt. Keramische Schleifmittel eignen sich besonders zum Entgraten und zum Erzielen einer glänzenden Oberfläche. Aufgrund ihrer hohen Dichte können sie hohem Druck standhalten und eignen sich daher optimal für die Bearbeitung von Teilen aus Edelstahl, Metall und Kunststoff. Kunststoffschleifmittel sind ideal für weiche und feine Oberflächen, die eine schonende Bearbeitung erfordern. Sie sind in Pyramiden- und Kegelform erhältlich. Zusätzlich hat das Unternehmen Walther Trowal nippelförmige Schleifmittel entwickelt, die sich für besonders kleine, detaillierte Teile mit schwer zugänglichen Bereichen eignen. Stahlschleifmittel, die meist in Kugelform erhältlich sind, verursachen einen äußerst geringfügigen Materialabtrag und eignen sich besonders zum Polieren und mechanischen Reinigen von Teilen aus Metall, Silber oder Aluminium, um eine glatte Oberfläche ohne Kratzer zu erhalten.
Zusätzlich zu den Schleifmitteln benötigt das Vibrationsgleitschleifverfahren auch eine Schmierflüssigkeit, den Compound. Der Compound wird verwendet, um zum einen den Verschleiß zu absorbieren und von den Teilen zu entfernen und zum anderen, um sie zu reinigen und zu entfetten. Bei der Bearbeitung von Metallteilen kann auch eine säurehaltige Flüssigkeit gewählt werden, die eine Beizung ermöglicht. Nach der Behandlung sind die Teile oftmals noch feucht und müssen einem Trockungsprozess unterzogen werden. Eine Möglichkeit ist es, die Teile in einem Vibrationstrockner zu trocknen, wo sie zusammen mit erhitzten Trocknungsmedien, wie Maiskolbenschrot, Nussschrot oder Holzwürfeln, in Vibration versetzt werden. Alternativ eignet sich ein Bandtrockner besonders für empfindliche und sperrige Teile mit inneren Kanälen und Löchern. In dem Bandtrockner werden die 3D-gedruckten Teile auf einem Band durch ein Heißluftsystem geführt und auf diese Weise getrocknet.
Sowohl das Vapor Smoothing als auch das Vibrationsgleitschleifen können je nach Menge und Komplexität der zu bearbeitenden Teile unterschiedlich lange dauern, die Dauer reicht von zehn Minuten bis zu mehreren Stunden.
Kompatible Materialien
Vapor Smoothing ist mit den meisten 3D-gedruckten Polymeren und Elastomeren kompatibel. Zu den gängigen Materialien, die sich für das Vapor Smoothing eignen, gehören Acrylnitril-Styrol-Acrylat (ASA), Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS), schlagzähes Polystyrol (je nach Maschine), Nylon 11 (PA 11), Nylon 12 (PA 12), Polypropylen (PP) und Polycarbonat/Acrylnitril-Butadien-Styrol (PC-ABS). Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass TPU und bestimmte Spezialfilamente nicht für die Dampfglättung empfohlen werden. Jedes Lösungsmittel, wie z. B. Aceton, Methylethylketon (MEK), Tetrahydrofuran (THF), Dichlormethan (DCM) und Ethylacetat, hat seine eigene Wirksamkeit und Anwendungshinweise.
Das Vibrationsgleitschleifen hingegen ist mit vielen weiteren Materialien kompatibel. So kann es nicht nur für 3D-gedruckte Teile aus Duroplasten, Thermoplasten und Elastomeren wie Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) oder Polyethylenterephthalat (PET), sondern auch für Metalle wie Aluminium, Edelstahl, Messing oder Kupfer verwendet werden. Dies macht es zu einem vielseitigen Verfahren, das als Nachbearbeitungsmethode für verschiedene 3D-Druckverfahren wie FDM/FFF- und Pulverbettfusionsverfahren eingesetzt werden kann.
Vorteile und Limitationen der Verfahren
Beide Verfahren bieten zahlreiche Vorteile im Hinblick auf die Optik und die Eigenschaften der Oberfläche. Mit dem Dampfglätten können glatte und wasserdichte Oberflächen erzielt werden, die mit dem Erscheinungsbild von Spritzgussteilen vergleichbar sind und gleichzeitig die Dehnbarkeit, Zugfestigkeit und Biegefähigkeit der Teile erhöhen sowie Merkmale, Stabilität und Präzision beibehalten. Beim Gleitschleifen hingegen werden keine wasserdichten Oberflächen erreicht. Vielmehr werden hierbei äußerst glatte und makellose Oberflächen erzielt, Beschichtungsspuren entfernt und kratz- und schmutzabweisende Oberflächen erzeugt. Bauteile, die mit dem Vibrationsgleitschleifen als auch mit Vapor Smoothing bearbeitet werden, bieten glatte Oberflächen mit einem glänzenden Ergebnis. Dabei bietet das Dampfglätten allerdings stärker glänzende Oberflächen, wohingegen bearbeitete Teile mit dem Vibrationsgleitschleifen besonders durch eine äußerst weiche und angenehme Haptik gekennzeichnet sind.
Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass Vapor Smoothing nicht die beste Lösung für jeden Druck ist. Modelle, die besonders komplex, klein, groß oder flach sind, können sich verformen oder ihre Details verlieren, außerdem können anschließend Abdruckspuren sichtbar sein. Nach dem Vapor Smoothing-Prozess können die Teile Defekte wie Blasenbildung, Flecken, Löcher und weitere Makel auf der Oberfläche aufweisen. Außerdem ist zu beachten, dass flexible Materialien anfälliger für Oberflächenfehler sind als starre Materialien, daher muss beim Dampfglätten von beweglichen Teilen oder Teilen mit Fugen auf ein richtiges Timing geachtet werden.
Das Vibrationsgleitschleifen hingegen eignet sich für ein breiteres Spektrum an 3D-gedruckten Teilen als das Vapor Smoothing, da es durch die Wahl verschiedener Schleifmittel und Methoden an die individuellen Bedürfnisse, Materialeigenschaften und Strukturen des Teils angepasst werden kann. Solange das Verfahren immer professionell von einem Spezialisten durchgeführt wird, ist das Gleitschleifen für fast alle 3D-gedruckten Teile geeignet. Allerdings kann das Gleitschleifen zu einem Verlust der Geometrie des Bauteils führen. So können sich beispielsweise Ecken und Spitzen des Bauteils zu stark abrunden und ihre Form verlieren, was beim Vapor Smoothing nicht vorkommen kann. Zudem sind beim Gleitschleifen gelegentlich weitere Trocknungsvorgänge erforderlich, die den Prozess verlängern.
Anwendungsbereiche
Das Dampfglätten ist eine Technik, die von Branchen wie der Medizin-, Automobil- und Luftfahrtindustrie bevorzugt wird, um wasserdichte, bakterienresistente und chemikalienfreie Teile herzustellen. Was das Gleitschleifen betrifft, profitieren vor allem die Medizin-, Automobil- und Sportindustrie von dieser Technik. In all diesen Bereichen sind glatte Oberflächen, vor allem bei Metallteilen, von großer Bedeutung, um funktionierende Prozesse und sichere Bedingungen zu gewährleisten. Sowohl das Dampfglätten als auch das Gleitschleifen können jedoch während des gesamten Produktentwicklungszyklus eingesetzt werden, von Konzeptmodellen über Prototypen bis hin zu Endprodukten, und finden in verschiedenen Branchen wie der Medizin-, Automobil- und Konsumgüterindustrie weitreichende Anwendung. Teile, die mit dem Gleitschleifverfahren bearbeitet werden, sind zum Beispiel Autoteile für die Automobilindustrie oder Schlittschuhkufen und Fitnessgeräte für die Sportindustrie. Darüber hinaus werden Schmuck und Besteck für Verbraucher mit Gleitschleifen behandelt. Ein Beispiel für dampfgeglättete Teile in der Automobilindustrie sind beispielsweise die Innenraumkomponenten eines Fahrzeugs, wie Armaturenbretter, Türgriffe und Mittelkonsolenelemente. In der Luft- und Raumfahrtindustrie wird das Dampfglätten auch für Flugzeugteile verwendet, z. B. für Tragflächen, Luftkanäle und Motorteile.
Dienstleister und Preise
Verschiedene Dienstleister, wie z.B. die SPALECK GmbH, VibraFinish oder die Rohde AG, bieten Gleitschleifen sowohl für Privatkunden als auch für Unternehmen an. Für das Vapor Smoothing sind Xometry & AMT, DyeMansion, ProtoLabs und Hubs nennenswerte Serviceanbieter, die Dampfglätten entweder mit einer bestimmten Nachbearbeitungsmaschine oder auf Materialbasis anbieten. Außerdem bietet das Unternehmen 3Faktur sowohl Services für das Dampfglätten als auch für das Gleitschleifen an. Bemerkenswerte Vapor Smoothing-Maschinen sind neben der AMT PostPro3D-Reihe und die Powerfuse S-Serie, Lösungen von Xometry und DyeMansion, während Protolabs und Hubs mit SLS und MJF HPA 12, PA 12 bzw. MJF Ultrasint™ TPU-01 arbeiten.
Was das Gleitschleifen anbelangt, so liegen die Preise für große Industriemaschinen von Herstellern wie Walther Trowal, AVAtec oder Garant bei etwa 17.000 – 20.000 € ($18.000 – $21.000). Die Schleifmittel variieren zwischen 20 – 40 € ($21 – $44) für 2 kg und der Compound beträgt ebenfalls etwa 20 – 40 € ($21 – $44) für 5 Liter. Der Preis für die Bearbeitung variiert erheblich je nach Menge und Größe der zu bearbeitenden Teile. Beim Dampfglätten können die Servicegebühren für das Glätten eines einzelnen Teils je nach Komplexität des Teils zwischen 4€ – 14€ ($5 – $15) liegen, obwohl viele Hersteller diesen Service oft nur im Rahmen eines Pakets von 10 oder mehr Teilen anbieten. Die Anschaffung einer Dampfglättungsmaschine kann je nach Bedarf sehr unterschiedlich ausfallen, wobei die einfachsten Lösungen bei etwa 900 – 1.000 € ($1000) beginnen, während industrielle Lösungen etwa 5.000 – 92.000 € (100.000 $) kosten können. Die Preisgestaltung kann auch von der Region, dem Hersteller und der Qualität abhängen.
Welche Methode zur Oberflächenveredelung würden Sie wählen? Haben Sie schon Erfahrungen mit einer dieser Methoden gemacht? Lassen Sie uns gerne einen Kommentar da, oder teilen Sie es uns auf Facebook oder LinkedIN mit. Möchten Sie außerdem eine Zusammenfassung der wichtigsten Neuigkeiten im 3D-Druck und der additiven Fertigung direkt und bequem in Ihr Postfach erhalten? Dann registrieren Sie sich jetzt für unseren wöchentlichen Newsletter.